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Humankind im Test: Die Revolution für 4X-Spiele?

Mit Humankind wagen die Amplitude Studios einen Angriff auf ein bereits seit Jahren etabliertes Franchise des historischen 4X-Genres.

Der Spielfluss ist flüssig und auch sehr einsteigerfreundlich. Als Spieler kommt man durchaus ohne lange Wartezeiten zurecht und die Zeit vergeht wie im Fluge.
Maurice Skotschir

Humankind ist seit einigen Jahren der erste ernstzunehmende Angriff auf die bereits etablierte historische 4X-Serie Civilization. Seit über 30 Jahren greifen Spieler zum Pendant von 2K Games, nun wagt das französische Entwicklerstudio Amplitude Studios zusammen mit Sega einen Angriff auf dieses. Doch kann der Mythos wirklich neugeschrieben werden? Mit der Endless Legend-Serie haben sie zumindest einen ordentlichen Grundstein gelegt, den sie, soviel kann man im Vorfeld verraten, nicht konstant durchgezogen haben. Zwar vergeht beim Spielen von Humankind die Zeit durchaus wie im Flug, aber an manchen Punkten im Spiel, hätte man sich doch mehr gewünscht.

Tiere vermöbeln und Büsche plündern

Das bedeutet nicht, dass die Entwicklerinnen und Entwickler zu wenige Ideen hatten, die gab es nämlich zur Genüge. Das merkt man auch, wenn man eine Kampagne startet und sich nicht, wie bei anderen Titeln dieser Art, schon im Vorfeld für eine Fraktion oder Zivilisation entscheiden muss und dann sofort eine Stadt gründet. Stattdessen verläuft der Start hier ganz anders. Bevor wir eine Siedlung gründen, oder uns eine Kultur aussuchen, müssen wir als nomadisch durch die Gegend streifender neolithischer Stamm durch die Gegend streifen. Dabei sammeln wir Nahrung und andere Ressourcen, erkunden die Karte und sammeln Einfluss. Dies geschieht durch das Pflücken von Beeren, kämpfen gegen Tiere – wie Mammuts – oder dem Plündern von speziellen Feldern. Haben wir genug Einfluss gesammelt, können wir den ersten Außenposten unserer neuen Zivilisation errichten.

Das ist durchaus ein anderer Ansatz, der aber nicht jedem gefallen könnte. Denn das Ganze endet, vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgraden, in einem echten Sprint. Und zwar keiner der angenehmen Sorte. Es geht immer darum, der erste zu sein, der sich eine Kultur aussuchen darf – und einen Anspruch auf die lohnenswertesten Religionen zu stellen. Dazu sollte recht bald ein Außenposten errichtet werden, der sich in einer Ressourcenreichen Gegend befindet. Während die ersten Bewohner diesen errichten, können die anderen Einheiten weiter die Karte erkunden.

Vorischt, Vorsicht!

Je mehr Nahrung diese dabei finden, desto größer ist auch der Trupp, der sich gleichzeitig bewegt. Die Maximalgröße sind vier Einheiten, die nach Belieben aber auch einzeln durch die Gegend geschickt werden können. Das kann unter Umständen zwar durchaus sinnig sein, im Allgemeinen schwächt man damit aber seinen Trupp, da andere Stämme diese einzelnen Einheiten viel schneller ausschalten können, als ganze Gruppen. Außerdem besteht immer die Gefahr, dass eure errichteten Städte von anderen geplündert – oder sogar eurer Kontrolle entzogen werden können. Ihr solltet immer wissen, wo der Gegner lauert!

Durch diese etwas andere Art, das Spiel zu beginnen, gelangt ihr zwar schnell in ein Rennen um die erste Auswahl der Zivilastionen, aber es ist eine erfrischende Erfahrung. Vor allem deshalb, weil es deutliche Vorteile bringt. Durch diesen „Zwang“ der Erkundung zum Spielstart haben wir oftmals schon ein gutes Stück der Karte erkundet. Und damit auch mehrere potenzielle Standorte gefunden, an denen wir Städte beziehungsweise Außenposten gründen können. Zudem wissen wir, an welchen Orten es lohnenswerte Ressourcen gibt, die wir früher oder später gebrauchen können. Auch ist es für Neulinge ein leichterer Start in das hinten raus doch komplexe Humankind.

Erreiche Meilensteine!

Um ein neues Zeitalter zu erreichen, müssen wir vorher genügend Meilensteine legen. Pro Zeitalter müssen wir sieben davon erringen, um in die nächste Ära wechseln zu können. Diese Meilensteine sind ein guter Indikator dafür, wie weit wir vor der Konkurrenz sind, und motiviert zusätzlich, diese Ziele zu erreichen. Dennoch sind sie ein wenig generisch geraten und lauten „Besiege 20 Militäreinheiten“, oder „Erforsche 60 Technologien“. Das ist etwas schade, das hätte auch gut und gerne auf die verschiedenen Zivilisationen zugeschnitten sein können – oder doch etwas detaillierter. Denn diese Ziele passen sich auch in Runde 100 nicht weiter an, sondern verändern nur ihre Zahlen. Schade!

Was hingegen besser gelungen ist, ist die Wichtigkeit der mit den Sternen verbundenen Auszahlung des Ruhms. Denn wer am Ende den meisten Ruhm angehäuft hat, gewinnt die Partie. Daher ist es auch nicht schlimm, wenn wir etwas länger als andere in einer Ära verweilen, um mehr Sterne zu sammeln. Dennoch solltet ihr immer auf dem Schirm haben, dass ein fortschrittlicheres Imperium eures dem Erdboden gleichmachen kann, wenn sie technologischen Fortschritt vorweisen. Auch durch das Errichten von Wundern, Entdecken von Naturwundern oder Betreten von neuen Kontinenten mehrt sich unser Ruhm.

Nicht einzigartig genug

Sobald wir die Möglichkeit haben, in die Ära der Antike voranzuschreiten und den neolithischen Status zu verlassen, können wir die erste Kultur auswählen. Dabei unterscheiden sich die Kulturen vor allem in ihren Schwerpunkten und damit in ihren Ausrichtungen. Der Fokus der Ägypter liegt so beispielsweise auf Industrie und Produktion. Außerdem gibt es noch die Fokussierungen auf Wissenschaft, Expansion, Kriegsführung, Diplomatie und Handel. Auch kommt jede Kultur mit einem einzigartigen Gebäude, einer speziellen Einheit, und einer aktiven sowie passiven Fähigkeit. Die Ägypter beispielsweise erhalten die Möglichkeit, für ein paar Runden auf den Zugewinn von Gold und Ruhm zu verzichten, und stattdessen alles in die Industrie zu leiten, sodass Gebäude schneller gebaut werden können.

Zwar haben diese Fähigkeiten auf jeden Fall einen Einfluss auf die Spielweise, fallen insgesamt aber deutlich weniger prägend aus, als in Spielen der Endless Legend-Reihe. Es gibt keine so wirklich einzigartigen Eigenschaft, mehr numerische Boni, die zwar zur Taktik passen, am Ende aber noch keinen wirklichen einzigartigen Faktor darstellen.

Kulturen & Religionen

Seid ihr mal nicht mit der Wahl eurer Kultur, oder der Ausrichtung dieser, zufrieden, ist das noch lange kein Beinbruch. Denn anders als in anderen Spielen dieses Genres haben wir keine feste Kultur. Beim Überschreiten der Schwelle zur nächsten Ära, können wir uns aussuchen, ob wir mit der vorher ausgewählten Kultur weitermachen und erhalten einen Bonus, oder wir suchen uns eine neue aus. Insgesamt bekommen wir sechsmal die Möglichkeit zu adaptieren. Das Schöne ist aber: So oder so behalten wir die Boni aus der vorherigen Ära. Dadurch gibt es auch etliche mögliche Kombinationen und Theorien, die sich vermischen lassen.

Auch Religion spielt in Humankind eine Rolle. Es gibt eine Menge religiöser Lehren, die wir auswählen können. Steigt diese auf, können wir kulturweite Entscheidungen in puncto Staatsbürgerkunde auswählen, die weitere Boni bringen. Je nachdem lassen sich so aber auch durchaus mächtige Kombinationen zutage bringen. Bisher kam aber nicht das Gefühl aus, dass man sich einer gewissen Kulturkombination wirklich verbunden fühlt. Lediglich an das ein oder andere Gebäude oder die ein oder andere Einheit gewöhnen wir uns dann doch. Am Ende hinterlassen sie beim Voranschreiten nur das ein oder andere Relikt, wie die Pyramiden oder ein Amphitheater.

Lasche Zufallsereignisse

Auch die hin und wieder auftretenden Zufallsereignisse können da nicht viel positiven Eindruck hinterlassen. Sie wirken eher halbherzig und haben mit dem Rest des Spiels nicht viel zu tun. Zwar steht die Multikulturalität im Fokus des Spiels, aber abseits der Boni, Gebäude, Einheiten und Fähigkeiten wird nicht viel darauf eingegangen. Das ist etwas schade, immerhin haben die Entwickler der Amplitude Studios bereits bewiesen, dass es auch spannendere Ereignisse hätte einbauen können, die spannender sind.

Für manche Spieler ist es sicherlich auch ungewöhnlich, dass es in den Städten keine Werte wie Zufriedenheit gibt, die doch etwas mehr Nähe zur Bevölkerung aufgebaut hätten. Andere würden aber auch sagen, dass sie keine Lust (mehr) haben, auf die Zufriedenheit ihrer Einwohner zu schauen. Hier müsst ihr also entscheiden, ob euch das stört, oder nicht.

Verbindet die Städte!

Was auf jeden Fall gut gelungen ist, ist die Möglichkeit nahegelegene eigene Städte miteinander zu verbinden. Dadurch können wir mit einer Stadt, in die Region der anderen vordringen, expandieren und dort die Ressourcen abbauen. Es ist ebenfalls möglich, Megastädte zu errichten, indem wir andere Städte verschlucken. Das geht zwar auf Kosten der Stabilität, aber die Wirtschaft boomt danach auf jeden Fall, das die Stabilitätsprobleme wieder aus der Welt schafft. Das Einzige, was einer Expansion im Weg steht, sind die anderen Mitspieler und Mitspielerinnen – egal ob menschlich oder computergesteuert.

Wer in Ruhe sein Imperium errichten möchte, ist mit dem standardmäßigen ausgeglichenen Schwierigkeitsgrad gut bedient. Es gibt konstanten und konsequenten Fortschritt, und wirklich Reibung entsteht nicht. Schrauben wir allerdings ein bisschen an den Einstellungen, können wir es uns entweder noch einfacher oder noch schwieriger machen. Je nachdem, welche Vorlieben wir haben. Mit der Erhöhung des Schwierigkeitsgrades steigt auch das Konfliktpotenzial unter anderen Mitspielern. Es kann sogar passieren, dass sich die neolithischen Stämme zu Beginn des Spiels bereits bekriegen.

Oberflächliche Mechaniken

Wie bei anderen Spielen des Genres tragen sich auch hier die Kämpfe nur auf der taktischen Karte, also der Oberwelt. Wobei Oberwelt eigentlich der falsche Begriff ist. Ihr wisst dadurch aber eher, was gemeint ist. Doch anders als bei Civilization können die einzelnen Einheiten in den Gruppen separat agieren – und nicht als ein Gemeinsames. Kombinieren wir also zwei Nahkampftruppen mit zwei Fernkampftruppen, darf jeder Trupp einzeln attackieren und bewegen. Neben diesen beiden Aktionen können sie nur noch sterben – mehr ist mit ihnen nicht möglich.

Theoretisch lassen sich die Kämpfe taktisch ausführen, indem man auch das Terrain im Auge behält und seine Einheiten so positioniert, dass sie möglichst im Vorteil sind. Doch das ist nicht unbedingt notwendig, klicken wir doch meistens einfach auf die automatische Ausführung des Kampfes, sobald wir im Vorteil sind. Ebenso oberflächlich wie der Kampf sind die späteren Ergänzungen. Wenn Themen wie Weltraum, Atomwaffen oder Umweltverschmutzungen dazukommen – die aber nur grob behandelt werden. Hier lassen die Entwickler deutliches Potenzial liegen.

Fazit

Endlich traut sich mal jemand, einen größer angelegten Angriff auf die altbewährt Civ-Reihe zu starten. Mit den „Endless“-Spielen haben die Amplitude Studios bereits einiges an Erfahrung gewinnen können, die sie aber leider nicht komplett nutzen. Der Spielfluss ist flüssig und auch sehr einsteigerfreundlich. Als Spieler kommt man durchaus ohne lange Wartezeiten zurecht und die Zeit vergeht wie im Fluge. Das typische „Nur-noch-eine-Runde“-Gefühl kommt auf und man möchte immer mehr sehen. Zwar revolutioniert Humankind nicht das Genre, aber bringt einige gute Ideen mit hinein, simplifiziert gewisse Abläufe und bietet jedem (Fan) etwas. Dennoch hätte es an manchen Stellen, wie den Religionen oder den Kämpfen doch etwas mehr Tiefgang gebraucht. Der wohl größte Kritikpunkt ist allerdings nur das oberflächliche Abhandeln der Gegenwartsepoche, die nur angekratzt wird. Das kann in Zukunft aber noch angepasst werden. Fans und Interessierte sollten auf jeden Fall einen Blick wagen.

Der Key wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

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