GreedFall 2: The Dying World ist da! Doch, kann es auch mit dem Vorgänger mithalten, oder folgt auf den Ruhm des Erstlings die Ernüchterung?
GreedFall 2: The Dying World ist der Nachfolger zu GreedFall aus dem Jahre 2019. Auch der Nachfolger stammt erneut aus dem Hause des französischen Studios „Spiders“, doch anders als noch beim Vorgänger übernimmt nicht Focus Home Entertainment das Publishing, sondern Nacon – ebenfalls aus Frankreich. Falls euch der erste Teil kein Begriff ist, werdet ihr aber mit Sicherheit von „Steelrising“ gehört haben, in dem ihr einen Roboter zur Zeit der Französischen Revolution spielt. Doch zurück zu GreedFall 2. Wir haben uns den Nachfolger des Überraschungs-RPGs angeschaut und verraten euch, ob er beim Prequel anknüpfen kann.
Bewahrer und Beschützer
Während wir im ersten GreedFall noch in die Rolle eines Kolonisators geschlüpft sind, dreht der Nachfolger die Perspektive um und macht uns zu einem Entführungsopfer, das gegen seinen Willen in die alte Welt gebracht wurde. Entsprechend handelt es sich hierbei nicht um eine klassische Fortsetzung, bei der wir dort weitermachen, wo wir aufhörten. Stattdessen liegt der Schauplatz ein paar Jahre vor dem ersten Teil und wechselt die Perspektive des Spielenden. Doch keine Angst, ihr müsst den ersten Teil nicht zwingend gespielt haben. Eine gewisse Vertrautheit mit dem Schauplatz und der Geschichte kann zwar hilfreich sein, wird aber nicht vorausgesetzt.
Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt, denn wir bestreiten das Abenteuer als Vriden Gerr, einem jungen Bewohner des Landes Teer Fradee. Zusammen mit unserem besten Freund Nilan sollen wir einer der Weisen unseren Clans werden. Diese gelten in der Spielwelt als Beschützer und Bewahrer des Wissens. Allerdings, wie so oft, gibt es vorher einige Prüfungen zu bewältigen. Und so machen wir uns mit Nilan auf den Weg, die Prüfungen zu bestehen und einige Probleme zu beseitigen.
Schwächelnder Editor
Doch bereits an dieser Stelle gibt es bereits ein erstes, kleines Manko: der Charakterditor. Wir gehören zwar nicht zu denen, die stundenlang in solch einem Editor jede Einstellung bis aufs Feinste anpassen, aber normalerweise schaffen wir es, einen Charakter zu erstellen, der uns gefällt. Das war uns hier leider nicht möglich. Daher: Stellt euch darauf ein, dass ihr im Editor nicht zufriedengestellt werdet – und findet euch damit ab. Zumindest aktuell. Vielleicht gibt es im Laufe des Early Access noch Updates, die das verbessern.
Besser als der Charakter-Editor ist das Kampfsystem von GreedFall 2. Gab es im ersten Teil noch Kämpfe, die wegen des ständigen Ausweichens eher an Dark Souls erinnerten, wurde es nun auf den rundenbasierten Kampf mit einer Gruppe umgestellt. Statt eines Action-Feuerwerks feuern wir innerhalb einer vierköpfigen Gruppe also nacheinander Attacken ab. Perfekt ist zwar auch dieser Ansatz hier nicht, da es hier und dort doch recht umständlich ist, die richtigen Befehle und Aktionen zu verteilen, aber doch deutlich besser und entspannter als zuvor.
Taktischer Kampf
Jedes Mal, wenn wir in einen Kampf geraten, geraten wir auch in ein Dilemma. Denn einerseits sind die Kämpfe so unterhaltsam, dass wir am liebsten jeden einzelnen mitnehmen würden, auf der anderen Seite gibt es da aber noch ein paar Stellschrauben, an denen die Entwickler:innen feilen müssen. Beispielsweise sind die Animationen noch nicht das Wahre und die Benutzeroberfläche ist schrecklich. Auch das Feedback auf die Angriffe und Aktionen lässt noch zu wünschen übrig. Doch das kann im Laufe des Early Access noch angepasst werden.
Auf Wunsch können wir die rundenbasierten Kämpfe allerdings auch in Echtzeit ablaufen lassen. Außerdem können wir unsere Begleiter „automatisieren“, sodass diese ihre Aktionen ohne unser Zutun ausführen und wir müssen uns nur auf uns selbst konzentrieren. Mit einem Druck auf die Leertaste schalten wir zudem in eine Art taktischen Modus, in der das Kampfgeschehen unterbrochen ist und wir für jedes Gruppenmitglied drei aufeinanderfolgende Aktionen festlegen können. So können wir taktisch unsere nächsten Schritte planen und in Echtzeit verfolgen, wie es läuft. Das ist nicht nur sinnvoll, sondern auch sehr befriedigend.
Stealth-Freunde kommen auf ihre Kosten
Neben dem Kampf haben wir aber auch noch eine andere Möglichkeit, nämlich Schleichen. Das Stealth-System in GreedFall 2 funktioniert gut, vor allem, weil es mehr als genug Gras zum Verstecken gibt, sodass wir durchaus einige Stunden im Spiel ohne Kämpfe auskommen können, wenn wir wollen. Es kann also durchaus ratsam – und effektiv – sein, erstmal über Probleme zu reden, statt direkt die Waffe zu rücken und auf Konfrontation zu setzen. Das kann jedoch durchaus schwerfallen, denn die Kolonisatoren, die sich auf der Insel niedergelassen haben, sind für die Probleme des Clans verantwortlich, den wir vertreten. Das wird mehr als deutlich gemacht. Allerdings sind nicht alle Charaktere, auf die wir treffen „typische Bösewichte“, sodass es sich durchaus lohnen kann, die Leute nicht direkt windelweich zu kloppen.
Um den Elefanten im Raum, der seit Sommer 2024 bei rundenbasierten Kämpfen im Raum steht, anzusprechen: Baldur’s Gate 3. Das Kampfsystem in GreedFall 2 bietet durchaus ein solides Fundament, auf dem sich für die Zukunft aufbauen lässt, jedoch bietet es nicht einmal ansatzweise so viel Flexibilität wie jenes in BG3. Das muss es natürlich auch nicht, dennoch wirkt es im Vergleich sehr rough und eingeschränkt. Zumindest die Echtzeit hat man dem großen RPG-Konkurrenten voraus.
Zu nett für diese Welt
Außerhalb des Kampfes können wir uns mit verschiedenen Fähigkeit das Umherwandern erleichtern oder sogar alternative Wege schaffen. Dazu gehört natürlich das klassische Schlossknacken, oder das Entschärfen von Fallen, aber auch das Sprengen von Wänden. Ansonsten gibt es aber auch noch diplomatischere Vorgehensweisen, bei denen wir eine Fertigkeitsprüfung ablegen müssen. Hier würfeln wir gegen die Talente unseres Charakters und hoffen darauf, den richtigen Wert zu erzielen. So bleibt es auch ein wenig dem Glück überlassen, was uns gelingt, und was nicht.
Leider bleibt bei der Diplomatie in Dialogen noch einiges zu Wünschen übrig. Denn statt, dass es verschiedene Optionen gibt, wie wir auf etwas reagieren wollen, ist der Ton unserer Antwort immer vorgegeben. Wir dürfen uns in GreedFall 2 also nicht aussuchen, ob wir ein Charmebolzen sind, oder alles und jeden plump einschüchtern. Hier sagt uns das Spiel immer, ob wir jemanden einschüchtern „wollen“, oder lieber sanfter vorgehen. Für ein Rollenspiel sind Dialoge und Optionen in Dialogen eigentlich fast das wichtigste. Vor allem aber auch deswegen, weil unser Hauptcharakter immer ein freundlicher und aufgeschlossener Typ ist und kein Draufgänger, selbst dann, wenn unser Charakter eine Einschüchterung ausspielt. Vielmehr sind wir einfach immer irgendwie… nett.
Zweckerfüllende Dialoge
Auch, wenn BioWare in den letzten Jahren ziemlich geschwächelt hat, sind sie immer noch ein Prüfstein, wenn es um Dialoge geht. Und auch da muss sich GreedFall 2 einen Vergleich gefallen lassen. Denn die Dialoge erreichen nie eine Tiefe, wie sie in BioWare-Games vorkommt, sondern sie erfüllen lediglich ihren Zweck. Das ist einerseits ein bisschen schade, andererseits hat das GreedFall-Sequel dennoch eine eigene Identität. Statt in einer Art Düsternis zu verschwinden, schafft es unser Protagonist Vriden Gerr immer optimistisch zu sein und weiter nach vorne zu schauen, selbst wenn er mit viel Unglück konfrontiert wird.
Das passiert am Anfang, in Teer Fradee, noch gar nicht so häufig, da es sich hierbei noch um ein Gebiet für einen seichten Einstieg handelt, doch später ändert sich das. Gerade am Anfang gehen wir Probleme eher auf eine investigative Art auf die Spur und gar nicht so sehr auf die kämpferische. Stattdessen decken wir Probleme auf und bewältigen sie auf eine clevere Weise – zu der nur selten der Kampf gehört. Die meisten Aufgaben auf Teer Fradee lassen sich ohne Blutvergießen lösen, zum Beispiel, indem wir ein Siegel stehlen und so eine Mine dicht machen. Später können wir auch den guten alten Mord „auspacken“ und als effektives Mittel für Quests nutzen.
Fazit
„GreedFall 2 macht zum Early-Access-Start schon einen guten Eindruck, muss aber noch an der ein oder anderen Stellschraube schrauben. Da wäre zum Beispiel der Charaktereditor, der mich mit keinem Charakter in die Welt starten ließ, den ich wirklich mochte. Andererseits ist das Kampfsystem noch ausbaufähig, vor allem die Benutzeroberfläche ist noch schrecklich anzusehen, aber auch manche Animationen sind noch verbesserungswürdig. Ansonsten bietet GreedFall 2: The Dying World allerdings ein sehr spaßiges Kampfsystem, das auch taktisch genutzt werden kann. Wer auf den Kampf verzichten möchte, kann auch das tun und sehr vieles auf eine diplomatische Weise klären. Beim Erkunden der Welt entdecken wir immer wieder etwas, das wir uns ansehen oder benutzen können. Oder wir schalten alternative Wege frei. Sehr nice! Auch, wenn es einen (sehr) guten ersten Gesamteindruck macht, würde ich noch ein wenig warten. Laut dem Entwicklerstudio steht bisher etwa ein Viertel des gesamten Spiels zur Verfügung. Mit weiteren Updates wird die Geschichte erweitert – aber es kann sein, dass die Spielstände inkompatibel werden. Packt es euch auf die Wunschliste und schaut immer mal wieder vorbei!„
Der Review-Key für den PC wurde uns freundlicherweise von Nacon zur Verfügung gestellt. Danke!