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Victoria 3 im Test: Wirtschaft über alles

Victoria 3 ist der neueste Globalstrategie-Titel von Paradox Interactive, in dem wir unsere Nation durch 100 Jahre Geschichte leiten.

In Victoria 3 nehmen wir die Fäden einer von uns ausgewählten Nation selbst in die Hand. Statt als König oder anderer Würdenträger aufzutreten, befinden wir uns eher im Hintergrund und üben Einfluss auf Wirtschaft, Gesellschaft, Handel, Militär und Diplomatie. Also im Grunde alles, was wir von einem Globalstrategie-Titel erwarten würden, bei dem wir uns durch 100 Jahre Geschichte hangeln, um unserer Nation unser eigenes Erbe zu hinterlassen. Dabei gestaltet sich das Gameplay durchaus komplexer als beispielsweise bei einem Anno oder anderen Strategie-Titel. Doch, kann der Titel trotz der hohen Einstiegshürde überzeugen? Wir verraten es euch in unserem Test!

Der Einstieg

Wie bereits erwähnt, sind Globalstrategie-Spiel durchaus deutlich komplexer als andere Strategie-Titel. Durch diese große Komplexität ist es auch gerade für Neueinsteiger schwierig, einen vernünftigen Überblick über die Funktionen des Spiels zu bekommen. Demnach ist die schwierigste Aufgabe des Spiels, alle Funktionen sinnvoll zu erklären und herüberzubringen. Und das schafft Victoria 3 auch durchaus.

Natürlich kann nicht jedes Detail abgehandelt werden, doch die wichtigsten Grundlagen werden direkt zum Beginn erklärt. Im Anschluss finden wir immer wieder ein paar Aufgaben in unserem Journal, an denen wir uns entlanghangeln können, damit wir einen stabilen Staat unter unseren Fittichen haben. Ansonsten gilt es auch etwas auszuprobieren. Die Gefahr im Tutorial zu scheitern ist gegeben, aber unserer Meinung nicht sonderlich hoch.

Texte über Texte

In der Einführung bekommen wir so einen Überblick über unsere Industrie und wie wir sie erweitern können, aber auch, dass wir die Produktion verschiedener Waren ankurbeln müssen, um unser Bruttoinlandsprodukt zu steigern und so letztendlich unserer Bevölkerung zu mehr Wohlstand zu verhelfen. Das war jedenfalls die extrem gekürzte Version der Prämisse des Spiels.

Immerhin können wir in Victoria nicht gewinnen, sondern setzen uns unsere eigenen Ziele. Das erreichen wir, indem wir der gerade angesprochenen Prämisse folgen. Können das aber auch durch verschiedene Aktionen beeinflussen und erreichen, denn es spielen einige Faktoren mit rein. Glücklicherweise gibt es viele Erklärungstexte, in denen wir ebenfalls Erklärungen für hervorgehobene Begriffe finden. Diese Verschachtelungen können aber auch eine Hürde sein, denn es gibt viiiiiel Text.

Ironman

Fühlen wir uns halbwegs gut vorbereitet, können wir das Tutorial verlassen und ein eigenes Spiel starten. Entweder wählen wir dazu ein freies Spiel, oder wir wählen eine von drei Hauptmissionen, bei denen wir uns an Aufgaben orientieren, um ein übergeordnetes Ziel zu erreichen. Dazu zählt die wirtschaftliche Vorherrschaft, die Hegemonie (also Alleinherrschaft) oder das Erreichen einer egalitären Gesellschaft. Die eigenen sich vor allem dazu, doch noch ein wenig mehr über das Spiel zu lernen und zu erfahren, wie wir bestimmte Faktoren beeinflussen oder Gesetze verabschieden.

Für die extra Prise Herausforderung gibt es, wie bei Crusader Kings 3 auch, den Ironman-Modus. Hier können wir weder das Land wechseln, noch den Beobachtermodus nutzen oder alte Spielstände laden. Doch auch außerhalb dieses Modus ist die Wahl der Nation ausschlaggebend, da jedes Land unterschiedliche Voraussetzungen mit sich bringt. Vor allem, weil auch historische Personen und Ereignisse in Victoria 3 stattfinden. Beispielsweise müssen sich die deutschen Staaten um 1848/1849 mit der Deutschen Revolution auseinandersetzen und handhaben.

Bürokratie, Autorität und Diplomatie

In der Benutzeroberfläche finden wir die wichtigsten Währungen des Spiels in der oberen linken Ecke wieder. Das sind in diesem Fall die Bürokratie, Autorität und Diplomatie sowie der aktuelle Etat unserer Nation. Die drei Währungen bestimmen, inwiefern wir Einfluss auf die verschiedenen Bereiche und unsere eigenen Ländereien ausüben können. Doch, was machen wir jetzt eigentlich genau?

In erster Linie kümmern wir uns ständig darum, dass Geld fließt und dazu optimieren wir am laufenden Band die Wirtschaft. Wir regulieren die Preise von Waren, indem wir sie zum Beispiel entweder importieren oder exportieren, mehr Produkte durch andere Verfahrensweisen oder Schwerpunkte herstellen, oder fördern bestimmte Zweige mit Erlassen. Jede Aktion hat einen Einfluss darauf, ob eine Ware in unserem eigenen Markt überschüssig vorhanden, oder ein rares Gut ist.

Fünf Linsen sollt ihr sein

Und das wiederum hat einen Einfluss darauf, wie profitabel die Produktionsgebäude unserer Nation sind und dadurch, wie viel Geld die Einwohner haben und welchen Lebensstandard sie halten können. Um mit den großen Nationen mithalten zu können, entwickeln wir neue und modernere Produktionsverfahren, sorgen für den Import und Export von Waren und pflegen diplomatische Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten oder auch entfernteren Ländern der Welt.

Dazu finden wir am unteren Bildschirmrand fünf Linsen, mit denen wir jeweils eine Abkürzung zu den Reitern „Produktion“, „Politik“, „Diplomatie“, „Militär“ und „Handel“ haben. Mit einem Klick darauf bekommen wir nicht nur ein passendes Overlay auf der Weltkarte angezeigt, sondern sehen auch verschiedene Aktionen, die wir in der entsprechenden Linse ausführen können. Bei der Diplomatie können wir so beispielsweise Interessen erklären oder Beziehungen zu anderen Staaten pflegen. Unter dem Reiter „Politik“ können wir verschiedene Erlasse für unsere Provinzen verabschieden oder aufheben.

Forschung und Pops

Die Forschung für neue Produktionsverfahren oder den technischen und gesellschaftlichen Fortschritt läuft im Hintergrund ab. Der Baum ist dabei in drei Kategorien unterteilt, zu denen Produktion, Militär und Gesellschaft gehören. Je mehr Wissen wir in unseren Universitäten generieren, desto schneller können wir die Forschungen natürlich auch abschließen. Legen wir den Fokus also aufs Wissen, statt auf Industrie, können wir den anderen Nationen davoneilen.

Allerdings müssen wir immer ein Auge auf unsere sogenannten Pops haben, die zu Interessensgruppen oder auch Parteien gehören. Denn mit dem Erlassen neuer Gesetze beeinflussen wir das Leben unserer Pops und machen uns (un)beliebt bei anderen Interessensgruppen oder Parteien. Jede Entscheidung hat auch negative Einflüsse, allerdings können wir so auch das Machtgefüge verändern. Allerdings radikalisieren sich bei genügend Unbeliebtheit auch Personengruppen, woraus Unruhen oder sogar Revolutionen resultieren können.

Kriiiiieg!

Gibt es im eigenen Land keine Unruhen, wird es aber unausweichlich immer mal wieder Punkte geben, an denen wir diplomatisch mit anderen Ländern aneinanderstoßen. Gerade im späteren Verlauf ist das fast garantiert. Besonders, wenn wir Kolonien in Afrika besitzen, kommt es immer mal wieder zu Reibereien. Oder, wenn wir versuchen, unsere Landesgrenzen zu verschieben – dafür müssen wir im Normalfall einen Krieg anzetteln. Doch das muss nicht unbedingt notwendig sein.

Wir können auch Diplomatiespiele beginnen, bei denen wir im Bestenfall ohne Waffengewalt unsere Forderung durchdrücken können, sofern wir genug Verbündete für unsere Sache gewinnen können. Kommt es dann aber doch mal zu einem bewaffneten Konflikt, laufen die Kämpfe ziemlich unspektakulär ab. Zwar können wir unsere Truppen mobilisieren und sie an die Front verlegen, und auf der Karte sehen wir auch Kanonen und Rauch aufsteigen, aber die Gefechte verlaufen nur via Zahlen und Balken.

Veränderungen

Da wäre etwas mehr drin gewesen, allerdings passt es in der aktuellen Form gut zu Victoria 3. Immerhin liegt der Fokus des Titels deutlich auf der Wirtschaft und dessen Simulation, und nicht wie bei Total War-Ablegern auf den großen Schlachten. Doch es muss auch nicht immer darauf hinauslaufen, denn der Titel gibt sich viel Mühe uns auf mögliche Konsequenzen vorzubereiten und immer eine Wahl zu haben. Dazu sehen wir beispielsweise, welche Nationen sich in Konflikte einmischen könnten, oder wie sich unser Ruf verändert oder wie die verschiedenen Interessensgruppen auf Entscheidungen reagieren.

Geht es um unsere eigene Wirtschaft, können wir oftmals einsehen, wie sich etwas darauf auswirkt, beispielsweise bei Waren. Haben wir ein Defizit einer Ware auf unserem eigenen Markt, können wir verschiedene Dinge tun, damit sich dies ändert. Option eins ist es, den Export zu verringern, sodass zum Beispiel Kohle eher bei uns bleibt, statt ins Ausland zu gehen. Andererseits können wir aber natürlich auch die Produktion hochfahren, das Verfahren ändern, die Logistik verbessern und vieles mehr. Oftmals sehen wir noch vor dem Auswählen die Auswirkungen, manchmal müssen wir aber einfach ausprobieren.

Fazit

Victoria 3 braucht auf jeden Fall etwas an Eingewöhnungszeit. Am Anfang haben wir viel herumprobiert, den ein oder anderen Staat in den Bankrott getrieben und unsere Nachbarn verärgert. Allerdings hat sich das gelohnt, denn die Erfahrungen, die wir sammeln konnten, haben uns gezeigt, worauf wir achten müssen. Dieser Globalstrategietitel richtet sich vor allem an diejenigen, die es gerne komplex, mit verschiedenen Zusammenhängen, mögen und deren Handeln Konsequenzen hat. Wer sich allerdings scheut, sich einzuarbeiten und diese Zusammenhänge zu verstehen, für den ist Victoria 3 leider nichts. Insgesamt hatte ich aber sehr viel Spaß damit und kann es nur empfehlen. Ich gehe dann mal weiter, Belgien an der Weltspitze zu festigen.

Der Review-Key für den PC wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

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