Assassin’s Creed Valhalla schickt die Meuchelmörder nach England und Norwegen und kombiniert dabei Altes und Neues – doch auch erfolgreich?
Herausgekommen ist eines der besten Ableger des Franchises und ein wunderbar abwechslungsreiches Open-World-Abenteuer.
Die Assassinen sind in Assassin’s Creed Valhalla wieder einmal nur Nebensache. Das zeichnete sich bereits mit Origins ab und spätestens seit Odyssey sollte jedem Fan des Franchises klar sein, dass der Konflikt von Assassinen und Templern kaum mehr eine (übergeordnete) Rolle spielt. Der Wandel zum Open-World-Action-Rollenspiel ist vollzogen und setzt kaum noch auf Prinzipien der Anfänge. Das ist zwar schade, doch der neue Teil der Serie versucht dennoch alte Ideen und neue Qualitäten zu verbinden. Außerdem möchte eine spannende Geschichte erzählt und der Spieler über zahlreiche Stunden hinweg unterhalten werden. Ob das gelingen kann, verraten wir euch in dieser Review!
Ein gelungener Spagat
Im Grunde setzt Valhalla dort an, wo die beiden Vorgänger aufgehört haben. Der Fokus liegt ganz klar auf einer weit ausgedehnten Geschichte, die von zahllosen Nebenaufgaben begleitet wird. Städte, Landstriche und Länder wollen erkundet und deren Geheimnisse aufgedeckt werden. Dabei kehren alte Ideen zurück, die mit optimierten Elementen aus Origins und Odyssey sowie frischem Wind gepaart werden. Auch wenn es auf den ersten Blick nach „Gut gemeint, aber schlecht umgesetzt“ klingt (*hust* Ghost Recon: Breakpoint *hust*), gelingt dem nordischen Assassinen-Abenteuer der Spagat doch ziemlich gut. So gut, dass am Ende vielleicht sogar einer der besten Ableger seit Langem dabei herauskommt.
Durften wir noch die Anfänge der Bruderschaft in Ägypten begleiten und uns anschließend mit mythischen Kreaturen in Griechenland prügeln, setzen wir unsere Reise nun an gleich zwei Orten fort. Denn mit Norwegen und Nordengland präsentieren uns die Entwickler zwei Schauplätze, die beide eine große Rolle im Verlauf des Spiels spielen. Im Jahr 873 nach Christus hat König Harald bereits ganz Norwegen besetzt. Und hier beginnen wir unsere Reise, denn bereits im Tutorial möchte das überraschend große Areal erkundet werden. Zudem müssen wir uns mit den Spielmechaniken vertraut machen und uns Reichtum sowie wichtige Ressourcen aneignen. Haben wir uns lange genug mit der verschneiten Landschaft herumgeschlagen, dürfen wir die Segel gen England setzen. Und dort fängt unsere Reise erst so richtig an.
Gut Ding will Weile haben
Als, wahlweise weiblicher oder männlicher, Eivor sind wir an der Seite des entmachteten norwegischen Thronfolgers Sigurd auf der Suche nach den Söhnen von Ragnar Lodbrok. Denn die sind bereits seit Längerem im Land unterwegs und wir wollen uns hier niederlassen. Natürlich samt treuer Gefolgschaft und fähigen Kriegern. Auf den ersten Blick mag die Geschichte zu einfach klingen, als dass sie überzeugen könnte. Doch sind wir positiv überrascht, wie spannend sich die Aufmachung des Spiels gestaltet. Mit der Zeit merkt man, dass sich die Schreiber bewusst Zeit nehmen, um die zentralen Figuren aufzubauen. Dadurch wissen wir auch die kleinen Geschichten, die in jedem Gebiet erzählt werden, immer mehr und mehr zu schätzen.
Zwar steht der Assassinen-Templer-Konflikt nicht mehr im Fokus, doch wird er punktuell immer wieder sinnig innerhalb der Geschichte erwähnt. Mit jedem weiteren Fortschritt der Geschichte des Spiels ergibt sich ein Konflikt, der super umgesetzt wurde – und für Ubisoft-Verhältnisse wohl die Bezeichnung „Weltklasse“ verdient hat. Leider sind auch wieder Gegenwartsabschnitte dabei, die uns immer wieder aus der Erzählung Eivors herausreissen, doch sind diese weniger präsent als noch in Odyssey. Diese Abschnitte sind allerdings Geschmackssache. Wir brauchen sie seit Origins jedoch nicht mehr.
Fantastische Spielwelt
Das wohl Beste am Spiel sind die schön gestalteten Karten der Spielgebiete. Es macht Spaß, auch ohne Ziel durch die Gebiete in Norwegen und Nordengland zu streifen und die Welt zu erkunden. Es gibt fast an jeder Ecke etwas zu entdecken. Auch das Besteigen der Zinnen und genießen des Weitblicks ist ein wirklich eindrucksvoller Moment. Positiv hervorzuheben ist vor allem, dass es weniger Leerlauf gibt. Egal, ob wir zu Fuß, zu Pferd oder via Langboot unterwegs sind. Lange darauf warten, einen interessanten Punkt der Karte zu finden, müssen wir nicht. Egal ob dichte grüne Wälder, weite goldene Felder, Schneegebiete oder düstere neblige Sümpfe. Die Umwelt ist ein Schmankerl.
Dazu trägt auch die grafische Pracht von Assassin’s Creed Valhalla bei. Auch, wenn uns hier keine „richtige“ Next-Gen-Optik erwartet, macht das Spiel einiges her. Dass auch Spiele für die PlayStation 4 noch richtig gut aussehen können, hat nicht zuletzt Ghost of Tsushima bewiesen. Unserer Meinung nach, nehmen sich die beiden Titel grafisch nicht viel. Und das ist positiv gemeint. Zur Immersion und dem Aufbau einer passenden Atmosphäre tragen vor allem auch die professionellen Sprecher, krachenden Soundeffekte und stimmige Melodien bei. Die deutsche Synchronisation ist durchweg gelungen und kann uns sogar mehr überzeugen, als die englische.
Offenlegung der Karte
Glücklicherweise gibt es in den verschiedenen Spielgebieten einiges zu tun, sodass man auch alles aufsaugen kann. Neben den Hauptaufgaben, die einen bereits für viele Stunden beschäftigt, gibt es auch noch die ganzen Nebenaufgaben und Sammelsachen. Insgesamt gibt es über zehn Gebiete, für die man jeweils locker fünf Stunden und mehr aufbringen kann. Um zu erfahren, wo es etwas Interessantes gibt, haben wir zwei Möglichkeiten. Die erste ist, dass wir in typischer Assassin’s-Creed-Manier Synchronisationspunkte aktivieren, die dann die unterschiedlichen Points of Interest aufdecken. Oder wir bewegen uns einfach durch die Welt und sobald wir eine gewisse Nähe zu einem interessanten Ort haben, deckt sich dieser ebenfalls auf. Doch ganz genau wissen, was uns erwartet, tun wir nicht.
Zumindest nicht direkt, denn offenbart werden nur farbige Punkte. Weiße Orte verraten uns, dass wir hier ein Artefakt finden. Beispielsweise ein römisches Artefakt, eine Schatzkarte oder neue Tattoos für Eivor. Hinter blauen Punkten verstecken sich sogenannte Weltereignisse, die mit Abstand die beste Erfahrung beim Erkunden der Welt bieten. Hierbei handelt es sich um kleine Nebenaufgaben, die nur ein paar Minuten dauern – dafür aber sehr abwechslungsreich und spannend sind. So müssen wir unter anderem dafür sorgen, dass ein Familienvater mal wieder ein lange fälliges Bad nimmt oder uns um einen FKK-Club kümmern. Schlussendlich gibt es noch gelbe Punkte, hinter denen sich Schätze, wie Waffen, Gold oder andere Wertsachen, verbergen.
Detektiv und Baumeister
Es mag zwar viele verschiedene Aufgaben und Beschäftigungsmöglichkeiten geben, dennoch wiederholen sie sich irgendwann. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn der Abwechslungsreichtum ist eine der größten Stärken von Assassin’s Creed Valhalla. Bevor man merkt, dass sich gewisse Aufgabentypen wiederholen, hat man schon einige Stunden im Spiel versenkt. Eivor darf sich sogar in feinster Ezio-Manier stellenweise als Detektiv beweisen, Hinweise untersuchen und Verrat aufklären. Trotz der Elemente aus älteren Teilen der Serie, passen sie sehr gut ins Gesamtkonzept und wirken an keiner Stelle störend. Ein großes Lob für den Variantenreichtum.
Für zusätzliche Abwechslung sorgt auch das eigene Dorf, das wir errichten und verwalten können. Durch Raubzüge, und dem dazugehörigen Überfallen von Klöstern oder Städten, sammeln wir Ressourcen, die wir benötigen. In Hraefnathorp errichten wir eine Schmiede, einen Angelladen oder eine Schiffswerft. Dadurch schalten wir unter anderem Nebenmissionen, oder sogar neue Gameplay-Elemente frei. Errichten wir das Büro der Assassinen-Gilde, erhalten wir beispielsweise Zugriff auf den Orden der Ältesten – und eröffnen damit die Jagd auf diese. Leider gibt es eine vorgefertigte Struktur, wo welches Gebäude zu stehen hat, das ist aber nicht weiter schlimm. Das Ausbauen der Siedlung ist immer eine wohlgesehene Abwechslung.
Fähigkeiten und Fertigkeiten
Damit wir bei unseren Raubzügen und den sonstigen Aktivitäten auch erfolgreich sind, sollten wir Fähigkeiten finden und Fertigkeiten auswählen. Anders als in den Vorgängern bekommen wir aber keine neuen Fähigkeiten mit jedem Stufenaufstieg, sondern müssen diese finden. Wir erhalten bei einer neuen Stufe zwar zwei Fertigkeitspunkte, mit denen verbessern wir aber unsere Statuswerte oder schalten passive Eigenschaften frei. So erhöhen wir unsere Gesundheit oder den Widerstand gegen Angriffe. Hier verbirgt sich unter anderem das automatische Plündern der Gegner, wenn wir sie per Attentat um die Ecke bringen. Der Fertigkeitenbaum ist extrem verzweigt und teilt sich in drei Wege auf. Namentlich in die des Raben, Wolfs und Bären, die zu den Kategorien der Ausrüstung passen.
Ausrüsten können wir unsere Waffenslots übrigens komplett beliebig. So sind Kombinationen wie zwei Äxte oder auch zwei Schilde durchaus im Rahmen des Möglichen. Wollen wir zwei Zweihandwaffen ausrüsten, müssen wir aber erst eine entsprechende Fertigkeit freischalten. Je nachdem welche Waffen wir ausgerüstet haben, gibt es unterschiedliche Tötungs-Animationen der Gegner. Doch seid gewarnt, Assassin’s Creed Valhalla ist der wohl brutalste Teil des Franchises. Hier fliegen Köpfe, Arme und mehr. Ansonsten lassen sich natürlich die typischen Rüstungsteile wie Brustpanzer, Umhang, Helm, Schuhe und Armschienen anlegen.
Angenehme Herausforderung
Besonders mitreißend sind die Raubzüge, die teilweise sogar mit Rammbock und allem drum und dran auftrumpfen. Diese absolvieren wir zum Großteil in der offenen Welt, müssen aber auch im Rahmen von Story-Schlachten immer mal wieder ran. Während einfache Beutezüge erfüllt sind, wenn wir die Wertsachen der Stadt geplündert haben, ist das Erobern der Festungen ein Highlight. Diese können nämlich nur schrittweise erobert werden und definieren „Massenschlacht“ für Assassin’s Creed neu. Im Gegensatz zu den Massenschlachten aus Odyssey wirken diese Beutezüge und Eroberungen deutlich angenehmer.
Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad sind jegliche Kämpfe aber keine große Herausforderung, solange man sich an die Empfehlungen der Stärke hält. Es gibt nur selten Momente, in denen man den Game-Over-Screen zu Gesicht bekommt. Und meistens dann, wenn wir uns mal wieder übernommen haben – ob bewusst oder unbewusst. Neu ist das Proviant-System, denn Eivor heilt sich nicht mehr von alleine. Erleiden wir Schaden, müssen wir Nahrung verzehren. Für den Fall, dass gerade nichts in der Nähe ist, können wir ein paar Rationen Proviant mit uns führen, um uns zu heilen. Wer eine Herausforderung möchte, sollte sich demnach entweder auf die Suche nach stärkeren Gegnern machen, oder den höchsten der drei Schwierigkeitsgrade auswählen.
Zieh‘ die Kapuze ins Gesicht!
Wurde das Stichwort „Schleichen“ in den vorherigen Teilen noch klein geschrieben, spielt es in Valhalla wieder eine größere Rolle. Zumindest haben wir durchaus öfter die Möglichkeiten, uns ungesehen durch Feindesgebiete zu schleichen. Dabei hilft uns auch die Rückkehr eine alten Mechanik: Das Untertauchen. Wir können uns unsere Kapuze tief ins Gesicht ziehen, damit uns feindliche Soldaten erst relativ spät wahrnehmen und wir uns so angenehm durch die Städte bewegen können. Auch können wir uns wieder in Heu- oder Blätterhaufen verstecken und mit der Versteckten Klinge aus diesen heraus attackieren. Für die nötige Übersicht sorgt entweder Odins-Sicht (früher Adlerauge genannt), oder unser Rabe Synin. Der Rabe ist dabei aber längst nicht so überstark wie noch der Adler in Odyssey. Synin kann nicht so viele Details anzeigen lassen, ist aber immer noch ein nützlicher Begleiter, der für Klarheit sorgt. Das neu-alte Stealth-Erlebnis passt jedenfalls hervorragend ins Spiel.
Assassin’s Creed Valhalla kann viel Lob einheimsen und wartet nur mit kleinen Kritikpunkten auf, die nicht groß ins Gewicht fallen. Während viele Medien und teils auch Spieler von technischen Problemen berichtet haben, konnten wir diese bisher nicht bestätigen. Zwar hakt es hier und da mal, NPCs wirken festgefroren oder wir clippen uns ungewollt in Wände. Das größte, was uns bisher auffiel, waren deutsche Texte, die nicht ganz passend wirkten. Entweder waren es Buchstabendreher, oder in unseren Augen unpassende Übersetzungen. Heißen im englischen die Weltereignisse beispielsweise „Mysteries“, werden sie im Deutschen mit „Rätsel“ angegeben. Wir hoffen, dass die kleineren Übel noch mit Patches beseitigt werden, groß kritisieren können wir dies an dieser Stelle aber nicht.
Fazit
„Wer hätte gedacht, dass gerade Assassin’s Creed Valhalla nochmal den Titel Assassin’s Creed verdient hat? Ich wohl am wenigsten, war ich doch bei der Ankündigung des neuesten Ablegers mehr als skeptisch. Natürlich dreht sich die Serie nicht erneut um 180°, verbindet aber alte Elemente mit neuen Ideen und das mehr als sinnvoll. Zwar sind nicht alle Elemente gleichwertig relevant, doch stört kein Element und alles greift stimmig ineinander. Herausgekommen ist eines der besten Ableger des Franchises und ein wunderbar abwechslungsreiches Open-World-Abenteuer. Nach The Witcher 3 konnte mich nur Ghost of Tsushima so begeistern – nun darf sich Valhalla in diese Riege einfügen. Vor allem, weil die verschiedenen Aufgaben und Sammelgegenstände so abwechslungsreich umgesetzt und integriert sind. Während der zentrale Konflikt mit genügend Geduld und Spannung aufgebaut wird, trüben nur wenige, kleine Kritikpunkte das Erlebnis. Assassin’s Creed Valhalla ist ein verdammt gutes Spiel. Das schönste und spaßigste Assassin’s Creed seit Brotherhood und Black Flag. Eine klare Kaufempfehlung!„
Der Key für die PC-Version des Spiels wurde freundlicherweise von Ubisoft zur Verfügung gestellt.